Festival Interview

„Eine Ästhetik des Suchens“

Patchwork Festival 2018 im TheaterForum Kreuzberg

Foto: Niklas Stålhammar

Seit 2017 veranstaltet Birgit Hering in Berlin das „Patchwork-Festival“, bei dem „eurythmische Miniaturen“ von 10-minütiger Länge gezeigt werden. Ihre Antworten beleuchten etwas ihren Weg, der zum Patchwork Festival geführt hat.

1. Wie kamst Du auf die Idee der ‹eurythmische Miniaturen› und was kommt dabei zum Ausdruck?

Daß Kollegen, Jung und Alt, sich der Herausforderung stellen, die Bühneneurythmie auch als performative Kunst zu erarbeiten.

2. Wie wurde das „Patchwork Festival“ in den letzten zwei Jahren angenommen und wie wird es damit weitergehen?

Für Kollegen, die nicht in einer Bühnengruppe arbeiten, oder SoloProgramme gestalten, gab das Festival die Chance, ihre Arbeit einem geneigten, an der Entwicklung der Bühneneurythmie interressiertem Publikum zu zeigen.

Wie die Zukunft aussieht, weiß ich nicht. Wir hoffen aber, im nächsten Jahr mit neuen Arbeitsergebnissen ein weiteres Festival durchführen zu können.

3. Was sind die Herausforderungen an die Teilnehmer?

Ein neuer Aspekt könnte sein, dass sich Eurythmisten die Frage stellen, wie sie ihren Beitrag in einen Gesamtzusammenhang stellen, so dass für den Zuschauer die Fragestellung, das Thema erlebbar wird. Den Titel für die Miniatur zu finden, stellt die erste Herausforderung dar. Ein anderer Aspekt könnte sein, dass Eurythmisten ihr eigenes inneres Anliegen durch die eurythmische Sprache zum Ausdruck bringen.

4. Wie ist das Verhältnis von „klassicher Eurythmie“ zu neuen Versuchen in der eurythmischen Darstellung?

Ja, es gab eine große Bandbreite unterschiedlicher Stile und Suchrichtungen. Die folgenden Sätze beziehen sich auf das mir gegebene Stichwort/Schlagwort „klassischer Eurythmie“: Was die Leute heute traditionell als „klassische Eurythmie“ bezeichnen, wurde in der Lebenszeit von Marie und Rudolf Steiner entwickelt. Rudolf Steiner hatte eine andere Ästhetik als Marie Steiner, Rudolf Steiner ist in den 20iger Jahren gestorben, Marie Steiner in den 40iger Jahren. Von Rudolf Steiner veranlagt, von Marie Steiner zu einem vermittelbaren System entwickelt, konnte die Eurythmie bis heute (besonders gut in der pädagogischen und therapeutischen Kunst) bestehen. Ich könnte sagen, Rudolf Steiner hatte eine Ausdrucksästhetik – aus einem geistigen Impuls heraus und hat vieles zugelassen-, Marie Steiner eine Wirkungssästhetik (siehe Beleuchtung, Bühnenwirksamkeit).

Ausgangspunkt für die Eurythmie der Nachkriegszeit war die Grundlage in der Pflege der gegebenen Anregungen. Was wir heute als die sogenannte klassische Eurythmie kennen, ist der Stand der Eurythmie in den 50iger Jahren. (Im Tanz, und Eurythmie ist im weitesten Sinne Tanz, wurden die Traditionen der ersten Jahrhunderthälfte viel früher durch neue Entwicklungen aufgebrochen, siehe das Buch von Hans Fors:  Geschichte der Eurythmie im tanzhistorischen Kontext, 1912-1930).Eurythmie ist traditionell geblieben, aus der Sorge, dass Eurythmie beliebig wird, nicht mehr der Impuls besteht. Andererseits hat es zur Erstarrung geführt, was bei künstlerisch empfindenden Menschen immer mehr an Glaubwürdigkeit verloren hat. Steiners Impuls, der 1912-24 dokumentiert wurde und die Entwicklung danach ist historisch faßbar.
Wir haben uns angewöhnt, nach dem stärkeren Anteil der Wirkungssästhetik von Marie Steiner zu gucken, und nicht zu schauen, was zum Ausdruck kommen will und neue Wege annehmen will. Manchmal paßt es nicht in traditionelle Formen, was als geistiger Impuls herauswill. Der Name Eurythmie ist von Marie Steiner vorgeschlagen worden und von Rudolf Steiner bestätigt worden, das Kind musste einen Namen haben.

Für mich ist wichtig, dass wir  Kollegen, die sich im eurythmischen Raum bewegen und nach Ausdruckswegen suchen, nicht in eine Ecke stellen, sondern akzeptieren, dass eine Ä s t h e t i k des S u c h e n s  sehr individuell ist.